10.7.12

Portrait #1 Helen aus der Yogibar

Wortkarg zeigt ich mich bisher, mein zu Hause ist die Bildsprache. Das wird sich heute ändern. Ich bin nicht etwa über Nacht zur Texterin geworden, nein, aber es gibt eine Neuerung auf meinem Blog die mehr Worte braucht. Die von Worten lebt. Nach und nach möchte ich Euch Menschen aus meinem unmittelbaren Umfeld vorstellen. Es sind nicht zwangsläufig enge Freunde oder Familienmitglieder vielmehr handelt es sich um Menschen die zufällig meinen Alltag kreuzen. Deren Begegnung mich inspiriert, begeistert oder fasziniert. Auf welche Art auch immer.

Den Anfang meiner Portrait-Reihe macht die wunderbare Helen. 

Wir kennen uns seid zwei Jahren. Eine charismatische Frau die schon im zarten Alter eine Gelassenheit und Ruhe ausstrahlt wie ich sie sonst meist von wesentlich älteren Menschen kenne. Helen ist meine Yogalehrerin. Das mag einiges erklären. Aber nicht alles! Soviel kann ich schon sagen, ein aufregendes und intensives Leben liegt jetzt schon hinter ihr! Für das Interview in ihren Räumlichkeiten hatte ich eine Stunde eingeplant. Nach 2 1/2 Stunden saßen wir immer noch -vertieft in ihr beeindruckendes Leben- auf der Yogamatte und sprachen über Leben, Ansichten und Erfahrungen. Dann hat uns der Alltag eingeholt. Kurz zur Person: Helen wohnt mit Mann und Kind in Berlin und hat vor einem halben Jahr Ihr erstes eigenes Yogastudio die Yogibar eröffnet. 



Helen, seid Deiner Kindheit beschäftigst Du Dich mit Yoga. Nicht gerade typisch für ein Kind der 80er. Wie kam es dazu? 
Ich habe mich schon als Kind für das Leben und das „Leben nach dem Leben“ interessiert. Eines Tages kam ich aus dem Kindergarten und habe meiner Mutter ein Bild von mir geschenkt und meinte dazu, wenn ich einmal sterbe, dann soll sie dieses Bild von mir aufhängen und immer wenn ihre Nase kitzelt, dann wäre ich das, denn ich wäre auch nach dem Tod immer bei ihr. Das war ziemlich schockierend für meine Mutter, sie hat sich daraufhin sehr intensiv mit spirituellen Themen auseinandergesetzt und mich immer mit einbezogen.
Bereits in der Kindheit habe ich mit meiner Mutter meditiert, mein Kinderzimmer mit einer Wünschelrute ausgemessen usw. Seit meinem 6. Lebensjahr lebe ich bewusst vegetarisch. Mein Vater (ein passionierter Jäger) hatte damals Karnickel in unserem Keller zum Ausbluten gehängt, mir taten die Tiere furchtbar Leid und ich wollte ab diesem Zeitpunkt niemals mehr Fleisch essen. Dabei ist es auch geblieben.
Trotz meines Interesses an Spiritualität und den regen Austausches mit meiner Mutter habe ich mich mit 16 erstmal abgewendet. In dieser Zeit bin ich meinen Werten, wie vegetarisch leben zwar treu geblieben, aber ich wollte von den wöchentlichen Feuerzeremonien in unserem Wohnzimmer und den Vollmondmeditationen nichts mehr wissen.
Nach dem Abitur bin ich nach Hamburg gegangen und habe eine Ausbildung zum Multimedia Producer absolviert. In meiner Agenturzeit kam dann ganz schnell der Wunsch nach „mehr“ und ich fing wieder an zu meditieren und habe auch einen Yogakurs besucht, zu dem ich es aber leider (wegen der langen Arbeitszeit) fast nie geschafft hatte. 
Wann kam der Wendepunkt in Deinem Leben an dem Du Dich endgültig dem Yoga verschrieben hast?
Ich bin an einem Abend auf dem Heimweg von zwei bewaffneten Männern überfallen worden. Im Grunde wollte die beiden nur meinen Rucksack aber was sie mir genommen hatten, war viel mehr. Da der Überfall quasi vor meiner Haustür war habe ich mein Gefühl von zu Hause und Geborgensein verloren. Ich bin damals in ein schlimmes Loch gefallen und mir wurde bewusst, dass man einen wirklichen Halt nur in Sich finden kann und nicht in äusseren Dingen. Aber wie findet man den Halt in Sich?
Meine Mutter hatte mir schon vor dem Überfall erzählt, dass ihr Lehrer ein Jugendseminar in seiner Stadt in Indien gibt. Nach dem Überfall war dann klar: Da muß ich jetzt hin. Und so bin ich für 6 Wochen nach Visakhapatnam. Das Seminar war sehr heilsam für mich. Ich habe viel meditiert, Mantras gesungen, Vorträge über die Veden und Ayurveda gehört und jeden Tag stand auch Hatha Yoga auf dem Programm.
Welche Ausbildung liegt seitdem hinter Dir?
Meine erste Yogalehrerausbildung habe ich 2003 bei Yoga Vidya absolviert. Gar nicht mit dem Gedanken, Lehrer werden zu wollen, vielmehr wollte ich tiefer ins Yoga eintauchen. Die Yogaschulen, die ich in der Zeit besucht hatte, haben alle nur Asanas (Körperübungen) gelernt und ich wollte mehr wissen, wollte alle Aspekte die zum Hatha Yoga gehören erfahren.
Nach dieser Ausbildung bin ich für ein Jahr nach Indien, dort habe ich eine zweite Ausbildung bei Karen o,Bannen absolviert. Diese Ausbildung war in der Tradtion von BKS Iyengar. Es folgten von 2005 bis 2008 eine weitere Ausbildung bei Cityyoga Berlin, in der Tradition von Anusara und  2010 eine Ausbildung zum ayurvedischen Gesundheitberater bei Sonne & Mond in Berlin. Weiterbildungen in Hormonyoga, Schwangerenyoga und Kinderyoga folgten.

Erzähl uns aus Deiner Zeit in Indien. Wie hast Du dort gelebt?
Ich habe das ganze Jahr sehr Basic gelebt. Das heißt einfache Unterkünfte in einem Ashram. Während der Ausbildung in Risikesh hatte ich ein kleines, einfaches Appartement. Während dieser Zeit bin ich dreimal in ein Kloster gegangen, um die Vipassana Meditation in einem 10tägigen Retreat zu erlernen. Das heißt, für 10 Tage nicht sprechen, lesen, schreiben, nur 2 Mahlzeiten am Tag (morgens um 7 und Mittags um 11) und 10 Stunden am Tag meditieren.
Der einzige Luxus in dieser Zeit war mein Laptop. Den brauchte ich zum arbeiten, denn ich habe nebenher als freie Programmiererin gejobt und mir so das Jahr in Indien finanziert.
Welcher Eindruck aus Deiner Zeit in Indien war der intensivste?
Ganz sicher die Erlebnisse im Kloster. Die Ruhe und Kraft die man spürt wenn man schweigt ist der absolute Wahnsinn.
Was gibt Dir Yoga?
Kontakt zu mir Selbst, inneren Raum, Klarheit in den Gedanken und in den Gefühlen.
Was war der ungewöhnlichste oder berührendste Moment Deiner bisherigen Yogalaufbahn?
Der ungewöhnlichste Moment war sicherlich, als ich 2005 im Parmath Niketan Ashram Inder im Yoga unterrichtet habe. In einer riesengroßen Halle mit knapp 60 Leuten. Ich stand da auf diesem Podest und dachte, irgendwas stimmt hier nicht ;) Da habe ich von allen am meisten gelernt.
Wie gingst Du früher mit materiellem Besitz um, wie heute? Was hat sich geändert?
Nach meinem Jahr in Indien habe ich materiellen Besitz als sehr belastend empfunden. Nur einen Rucksack mit Dingen, die man braucht, das war oder ist ein sehr freies Gefühl für mich. Besitz bringt schnell Verhaftung mit sich. Ich bin nach dem Jahr auch weiter viel getravellt, zwischen Deutschland, Indien und Thailand.
Seid der Geburt Deines Sohnes bist Du sesshaft geworden, wie war das für eine Nomadin wie Dich? Ich stelle mir so einen Lebenswandel nicht leicht vor.
Ja, die Geburt meines Sohnes hat mein Leben sehr verändert. Das hätte ich nicht gedacht. Ich habe in Indien und Thailand viele Traveller auch mit Kindern gesehen und dachte, Kinderkriegen läuft so nebenbei und man zieht weiter durch die Welt. Aber das war bei mir nicht so. Ich war mit meinem Sohn zwar schon zweimal in Thailand, mit 11 Monaten und mit 22 Monaten, aber da sind wir mit verdammt viel Gepäck und Sorgen verreist. Wir sind auf einer Insel geblieben, die über eine gute ärztliche Versorgung verfügte. Eine Vipassana (10 Tage ins Kloster) zur Zeit? Undenkbar. Die Liebe zu meinem Sohn raubt meine Freiheit und erst seitdem ich das akzeptiere, kann ich das sehr gut annehmen. Die Stabilität, die er mir schenkt, gibt mir Ruhe und läßt mich hier in dieser Welt ankommen. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Ich würde ihm gerne einmal Indien zeigen, vor allem Rishikesh, wo ich soviel zeit verbracht habe. Aber ich warte, bis er 4 oder 5 Jahre ist. 

Wie integrierst Du Yoga in Dein privates Leben außerhalb der Yogibar? Wie sieht Dein Alltag heute aus?
Ich habe meine Yogamatte immer ausgerollt und versuche jeden Tag Yogaübungen zu machen. Am liebsten mache ich Yoga morgens, aber das ist mit einem kleinen Kind nicht so einfach. Ich versuche natürlich auch andere Aspekte mit in meinen Alltag einzubeziehen, wie Ernährung und Lesen von Yogatexten. Die Dinge positiv zu sehen und vor allem Dinge einfach so anzunehmen wie sie sind – ist eine tägliche Übung aufs Neue. Doch auch bei all meiner yogischen Praxis muss ich sagen, ich bin immer noch und mein Leben lang ein Übender. Die Erleuchtung ist noch weit entfernt.
Ich persönlich bin ein absoluter Fan Deiner Räumlichkeiten. Was hat Dich bei der Gestaltung und beim Farbkonzept inspiriert?
Die meiste Inspiration habe ich sicherlich auf meinen Reisen bekommen. Die alten Tempel und Ashrame in Indien haben mich sehr verzaubert. Diese alten Gebäude, die oft bröckelige Wände oder Außenfassaden haben, der Steinboden meist abgenutzt und die Treppen im Laufe der Jahre abgelaufen, strahlen für mich etwas ganz Besonderes aus. Nichts Perfektes und nichts Aufgesetztes – etwas Reines und dadurch auch etwas Klares. Auch die Yogahallen sind ganz schlicht und einfach: ein großer Raum, Steinboden, eine Ecke für die Yogamaterialien und einen Altar – das war´s. Keine aufgesetzte Wellness-Oase. Man spürt in diesen Hallen sofort, hier geht es um die Findung zu Sich Selbst und nicht um eine weitere Ablenkung im Äusseren.
Die Farbwelt der Yogibar ist fast von alleine entstanden. Ich wollte alles so natürlich wie möglich haben und so haben wir die Dielen einfach abgeschliffen und geölt und die Tapeten runtergerissen und hinter den Tapeten hat sich eine spannende Farbwelt gezeigt. In einer Ecke haben wir türkisfarbenen Putz entdeckt und diesen Ton haben wir dann extra an mischen lassen und weiterverwendet. Alle Materialen sind aus Naturprodukten, Korkblöcke, Hanfgurte etc. Die Natur bietet doch die beste Farbwelt überhaupt. Ich muß an dieser Stelle dazusagen, dass mein Mann die yogibar für mich renoviert hat. Er kennt mich, meinen Geschmack und wusste unausgesprochen sehr genau, wie ich mir die Räumlichkeiten vorstelle. Deshalb ist die Yogibar so schön und liebevoll wie sie ist.

Und noch mal aus rein persönlicher Neugierde: Was ist das für ein Boden im Flur? Der fühlt sich so schön warm an und sieht einfach klasse aus.
Wir haben den vorhandenen Lenolium rausgerissen und den Boden mit einer Art Estricht ausgegossen und dann mit einer Bodenfarbe angestrichen – mehr nicht ;) 

 Liebe Helen, vielen Dank für das Interview und den Einblick in Dein aufregendes Leben, darauf trinken wir einen :-) Yogitee?
Zu guter Letzt haben wir noch ein Gewinnspiel. Wenn Ihr bis zum 24.07 einen Kommentar hinterlasst, könnt Ihr 2x eine kostenlose Yogastunden in der Yogibar gewinnen. (Da das Gewinnspiel wohl regional von Interesse ist schreibt bitte Yogibar an den Anfang Eures Kommentars, damit wir wissen, dass Ihr an der Verlosung teilnehmen wollt.)

18 Kommentare:

  1. wie spannend! ich freue mich sehr über deine neue "sprache" :)

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  2. Schön. Spannend. Nicht zuletzt da ich selbst auch seit 2 Jahren Yoga mache und immer neugieriger werde ... auf ein Dahinter-mir ;)

    LG I.

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  3. Sehr schöne Räume und ein sympathisches Gesicht dahinter. Toll!

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  4. Ein interessantes Interview und tolle Räumlichkeiten. Die hatte ich zwar kürzlich woanders schonmal im Bild gesehen, aber nicht, wer dahintersteht. Sehr spannend.
    Leider bin ich zu weit weg, um mal eben nach Berlin zu kommen...

    Lieber Gruß,
    Katja

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    1. das bild habe ich schon mal beim fragen foto freitag gezeigt...könnte sein....:-)

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  5. Deine neue Idee finde ich wundervoll!!!
    So bekommt man einen kleinen und sehr persönlichen Einblick in das Leben Deiner 'Nachbarn'.
    Freu mich schon sehr auf Deine weiteren Vorstellungen...
    Liebe Grüße
    Ivonne

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  6. Mir gefallen deine Worte hinter deinen Bilder!

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  7. Wunderbar deine neue Portrait-Reihe!!!! Leider bin ich auch zu weit wech...liebe Grüße

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  8. wie lustig, ich war vor ein paar wochen mal zu einer stunde bei ihr! tolle frau, tolles studio!

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    1. das ist ja wirklich lustig :-) ja ja die welt ist klein...haben wir den gleichen kiez? lg

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  9. Was für ein geniales Interview! Ich freue mich auf viele mehr.

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  10. ich bin auch schon ein paar mal dran vorbeigelaufen... schönes studio und eine interessante frau. wäre einen versuch wert :0) grüße jenny

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  11. man bekommt Lust auf mehr. Ich kenn Helen vom Yoga und es macht Freude ihren Weg kennenzulernen. Gute Idee mit dem Blog

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  12. Yogibar - eine tolle Frau und ein beeindruckendes Leben. und ein sehr schöner und inspirierender Text. Vielen Dank dafür!
    Astrid, superspam24@gmx.net

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  13. Yogibar -
    Ich habe erst vorgestern, das erste Mal wieder, nach der Geburt meines SOhnes, Yoga,außerhalb der eigenen vier Wände, praktizieren dürfen und diese erste, so wundervolle Stunde, war bei Helen in der Yogibar.
    Ich habe mich dort sehr wohl gefühlt und konnte diese Ruhe widerum mit in den Alltag nehmen!-
    Toller Text und es ist schön zu lesen, das der erste Eindruck von Helen so zutrifft und sie eine tolle Frau mit einem beindruckenden Leben ist.
    Dalila, dalila@lilawunderland.de

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  14. yogibar-

    huhu!
    ein tolles interview!
    und da ich yoga noch nie probiert habe,klingt es grade bei so ner klasse frau wie helen es auszuprobieren!
    glg,leila

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  15. YOGIBAR - vergessen es in meine Mail vom 12.7. zu schreiben... hole ich hiermit nach.

    grüße jenny

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  16. Hallo Diana, Deinen Kommentar kann ich nur über meinen eigenen Kommentar einfügen. Bitte:

    Hallo ,
    ich wollte folgenden Kommentar auf deinem blog hinterlassen,leider hat es irgendwie nicht funktioniert,

    yogibar- durch zufall bin ich auf deinen blog und das nterview der yogibar gestossen.
    sehr schön, ich bin auch yogalehrerin und wohne auch im friedrichshain, vielleicht lernen wir uns ja mal kennen,
    ihr findet mich unter www. yogana. info und natürlich bei facebook. om shanti eure diana widmann, yogamitdiana@gmail.com


    vielleicht kannst du den kommentar ja noch veröffentlichen?
    werde jetz deinen blog verfolgen

    nachbarschaftliche grüsse
    diana

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♥♥♥ Danke, dass Du Dir Zeit genommen hast meinen Blog zu verfolgen. Ich freue mich wirklich sehr über Dein Feedback, Deine Fragen und Anregungen.